Schreckensszenario Stromausfall: Auf den Notfall schlecht vorbereitet

Trier · Strom ist wie Luft. Unsichtbar und doch allgegenwärtig. Ohne Luft könnten wir nicht leben. Aber was wäre, wenn der Strom ausfiele? Sowohl ein Thriller als auch eine Studie, die im Auftrag des Bundestags durchgeführt wurde, kommen zu dem Schluss, dass die Gesellschaft zusammenbrechen würde. Dennoch ist kaum jemand auf den Ernstfall vorbereitet.

Was der Bestsellerautor Marc Elsberg in seinem Thriller "Blackout" beschreibt, ist ein Schreckensszenario: An einem kalten Februartag brechen in Europa alle Stromnetze zusammen - und die Menschen stehen vor einer gewaltigen Herausforderung: Überleben. Denn Kälte, Hunger, hygienische Missstände und die zunehmende Brutalität der Mitmenschen werden zur Lebensgefahr. Das Beschriebene ist fiktiv. Aber ist es unrealistisch?
Keineswegs. Dies zeigt eine 2011 erstellte Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag. Was sie zutage fördert, ist zwar nüchterner beschrieben, aber kein bisschen weniger erschreckend als Elsbergs Thriller. Die Folgen eines großflächigen und längerfristigen Stromausfalls, der mehrere Bundesländer betrifft und länger als zwei Wochen dauert, kämen einer nationalen Katastrophe gleich, heißt es schon im Vorwort des Berichts.
"Betroffen wären alle kritischen Infrastrukturen, und ein Kollaps der gesamten Gesellschaft wäre kaum zu verhindern." Die Autoren gehen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit solcher Stromausfälle gering ist. Doch sie steige, da extreme Wetterverhältnisse ebenso zunehmen wie die Gefahr terroristischer Angriffe. Auf 136 Seiten beschreiben sie detailliert die erschreckenden Szenarien, mit denen zu rechnen wäre:

Die Telekommunikation bricht fast völlig zusammen: Festnetztelefone fallen sofort aus. Die Basisstationen der Mobiltelefone wären innerhalb weniger Minuten überlastet, das Internet spätestens binnen weniger Stunden unerreichbar, die Fernseher tot. Batteriebetriebene Radios könnten noch Nachrichten liefern. Nur Bundeswehr, Feuerwehr oder Technisches Hilfswerk können dank notstromversorgter Funkgeräte für eine gewisse Zeit noch kommunizieren.

Transport und Verkehr: Auf den Straßen der Städte herrscht Chaos. Da die Ampeln ausfallen, kommt es zu zahlreichen Unfällen, bei denen Menschen verletzt werden oder sterben. Es bilden sich Staus, die es den Rettern zusätzlich erschweren, ihre Aufgaben zu erfüllen. Da die Tankstellen ohne Strom nicht funktionieren, bleiben immer mehr Fahrzeuge liegen. Nach 24 Stunden bewegt sich auf den Straßen kaum noch etwas.
Der Schienenverkehr kommt nicht allmählich, sondern abrupt zum Erliegen. Viele Menschen sind in U-Bahnen und Zügen eingeschlossen. Aufzüge stecken fest. Schranken funktionieren nicht mehr. Auch in Häfen sorgt der Stromausfall für Stillstand, was sich im Falle der großen Seehäfen europaweit auswirkt, während Flughäfen sich der Studie zufolge als relativ robust erweisen. Da kaum noch Güter transportiert werden könnten, käme es zu Engpässen bei der Versorgung mit Lebensmitteln oder Medizin.

Wasser und Abwasser: Die Wasserinfrastruktur kann laut Studie ohne Strom vielerorts bereits nach kürzester Zeit nicht mehr betrieben werden, da die Pumpen aussetzen. Die Folgen sind fatal. Es fehlt Wasser zum Trinken, Wasser zum Zubereiten von Speisen, Wasser zum Duschen. Toiletten verstopfen. Saubere Kleidung gibt es bald nicht mehr. Die Gefahr von Krankheiten steigt. Und auch jene von unkontrollierten Bränden: zum einen, weil Kühlsysteme ausfallen. Zum anderen, weil Menschen versuchen, mit Feuer zu kochen oder zu heizen. Und natürlich auch, weil das wichtigste Löschmittel fehlt.

Lebensmittel: Die Lebensmittelversorgung aufrechtzuerhalten, wäre eine der wichtigsten behördlichen Aufgaben. Denn die Versorgungskette ist innerhalb kürzester Zeit erheblich gestört, die Supermarktregale leeren sich rapide. Und Nachschub ist kaum zu erwarten. Zum einen, weil er nicht transportiert oder gekühlt werden kann. Zum anderen, weil die Lebensmittelproduktion ohne Strom kaum möglich ist: Nach etwa einem Tag können große Mastbetriebe Schweine oder Hühner nicht mehr mit ausreichend Futter, Wasser und Frischluft versorgen. Der Studie zufolge werden viele Tiere schon die ersten Stunden nicht überleben. Beim Milchvieh kann der Ausfall der Melktechnik zu lebensgefährlichen Euterentzündungen führen. Und selbst in Glashäusern erzeugtes Gemüse würde Schäden erleiden.

Auch das Gesundheitswesen kann den Folgen eines Stromausfalls dem Bundestagsbericht zufolge nur kurz widerstehen. Krankenhäuser laufen zunächst noch im Notbetrieb, doch werden die Medikamente schnell knapp. Nach einer Woche sei mit dem Zusammenbrechen der medizinischen und pharmazeutischen Versorgung zu rechnen, heißt es in der Studie. Und daher mit einer Katastrophe: Für sehr viele Menschen würde dies den Tod bedeuten.

Finanzen: Während der Zahlungsverkehr zwischen den Banken laut Studie dank der Notstromversorgung recht lange aufrechterhalten werden kann, ist die Bevölkerung bald von den Geldströmen abgeschnitten: Die Banken schließen, und die Automaten funktionieren ebenso wenig wie das elektronische Bezahlen. Das steigert die Angst der Menschen, sich nicht mehr mit dem Lebensnotwendigen versorgen zu können.

Faktor Mensch: Ohne Strom ist vieles von dem, was sonst normal ist, plötzlich nicht mehr möglich, das Leben nicht mehr kontrollierbar und gefährlich. Angst, Ohnmachtsgefühle und Stress können dem Bericht zufolge zu ganz unterschiedlichen Verhaltensweisen führen: Manche Menschen werden aggressiver, rücksichtsloser und gewaltbereiter. Andere hingegen gewinnen durch Hilfsbereitschaft, Empathie und Kooperation das Gefühl, die Katastrophe bewältigen zu können.

Das Fazit des Berichts: "Die Wahrscheinlichkeit eines langandauernden und das Gebiet mehrerer Bundesländer betreffenden Stromausfalls mag gering sein. Träte dieser Fall aber ein, kämen die dadurch ausgelösten Folgen einer nationalen Katastrophe gleich. Diese wäre selbst durch eine Mobilisierung aller internen und externen Kräfte und Ressourcen nicht ,beherrschbar\', allenfalls zu mildern." Weitere Anstrengungen seien deshalb auf allen Ebenen erforderlich. "Der Stromausfall sollte deshalb auf der Agenda der Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft hohe Priorität haben" - so die Empfehlung an den Bundestag. Trotz dieses Gefahren- und Katastrophenpotenzials sei ein diesbezügliches gesellschaftliches Risikobewusstsein nur in Ansätzen vorhanden.
Den Bericht des Bundestages finden Sie unter: http://ow.ly/cnEan
Extra

Ist ein Notfall erst einmal eingetreten, ist es für Vorsorge zu spät. Mit der Broschüre "Für den Notfall vorgesorgt" will das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Menschen dazu bringen, sich auf Extremsituationen vorzubereiten. Das Amt rät: Falls Öl-, Gas-, Fernwärme- oder Stromversorgung ausfallen, sollte jeder Haushalt Alternativen bereithalten. So lassen sich kleinere Mahlzeiten auch mit einem Spirituskocher zubereiten. Auch Grill-und Holzkohle können hilfreich sein. Die fehlende Heizung kann über einen gewissen Zeitraum meist durch warme Kleidung ersetzt werden. Wer eine Heizmöglichkeit hat, die auch mit Kohle, Briketts oder Holz betrieben werden kann, sollte diese Brennstoffe bevorraten. Bei Ausfall des Lichts kann man sich mit Kerzen, Taschenlampen oder Petroleumlampen behelfen. In jedem Fall müssen auch hier die Vorräte an Kerzen, Brennstoffen, Ersatzbirnen für Taschenlampen, Batterien und Streichhölzern oder Feuerzeugen überprüft werden. Da ein Energieausfall unter ungünstigen Umständen auch über Wochen anhalten kann, sollte laut Bundesamt jeder Haushalt einen Vorrat an Lebensmitteln und Getränken für ein bis zwei Wochen anlegen. Bei der Auswahl sollte darauf geachtet werden, dass die Esswaren auch ohne Kühlung länger gelagert und kalt gegessen werden können. Zudem raten die Katastrophenschützer, ein Rundfunkgerät mit UKW und Mittelwelle im Haus zu haben, das auch mit Batterien läuft. Sollte es in Rheinland-Pfalz zu einem größeren Stromausfall kommen, dienen die örtlichen Feuerwehrgerätehäuser als Anlauf- und Infostelle. Da sie über Funkgeräte verfügen, können von dort aus auch Notrufe abgesetzt werden. Die Broschüre gibt es unter www.bbk.bund.de

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