Frauen aus dem Rotlichtmilieu erzählen: "Die neue Klientel kennt keine Grenzen und hat keinen Respekt"

Trier · Zwei Frauen haben mit unserer Redakteurin Katharina Hammermann über ihre Erfahrungen in der Prostitution gesprochen. Obwohl die beiden unterschiedlicher nicht sein könnten - die eine 50, Ex-Domina, die andere 25, begeisterte Einsteigerin - haben sie vieles gemeinsam: Beide sind intelligente, stolze und selbstbestimmte Frauen.

Trier. Mag es auch viele Prostituierte geben, die das alles ganz anders sehen: Die beiden von uns befragten Frauen zeichnen ein überraschend positives Bild ihres Berufs. Sie wehren sich gegen die negativen Klischees, die ihm anhaften, und fordern mehr Respekt.
Emilie erzählt. Ihre schwarze Kleidung ist von sportlicher Eleganz, ihre dunklen Augen funkeln, und trotz ihrer kleinen, sportlichen Statur strahlt sie eine natürliche Autorität aus. "Jedes Leben hat seine Abschnitte. So einen Beruf macht man nicht sein Leben lang", sagt Emilie (Name geändert).
"Ich habe Illusionen verkauft"


Sie ist über 50 - was ebenso überrascht wie die Tatsache, dass sie ihren Lebensunterhalt bis vor einigen Jahren mit Prostitution verdient hat. Nicht mit "diesem körperlichen Sex" allerdings, sondern "in einem anderen Milieu". Den Begriff Sado-Maso benutzt sie in dem ganzen Gespräch nicht. Auch nicht den der Domina. Stattdessen sagt sie: "Ich habe Illusionen verkauft." Ohnehin solle eine Prostituierte nicht ihren Körper verkaufen, sondern dafür sorgen, dass der Kunde sich wohlfühlt.
Das hat die verheiratete Frau getan und es als reine Arbeit gesehen. Und währenddessen hat die Zeit sich gewandelt. Aber nicht zum Guten, wie sie findet. Viele junge Männer seien durch das Internet geprägt, sagt Emilie. "Diese neue Klientel kennt keine Grenzen, hat keinen Respekt." Schlimm findet sie es, dass Frauen als Maschinen dargestellt werden. Als Ware. Verdorben sei das. "Der Mensch ist ein seltsames Tier", sagt Emilie. Sie wünscht sich für Prostituierte mehr Respekt.
Magdalena erzählt. Am Anfang habe sie selbst all diese Klischees aus dem Fernsehen im Kopf gehabt: Zuhälter, Drogen und Frauen, die Opfer sind. Und machte sich deshalb große Sorgen um ihre beste Freundin, die Hure geworden war.
"Ich möchte nicht tauschen"



Bis sie eines Tages mitging. "So ist das alles nicht", sagt die aus Polen stammende Magdalena (Name geändert) in perfektem Deutsch. Zumindest nicht in Trier und nicht in einem Club, wo das Niveau stimme. Und woanders würde sie nicht arbeiten. Jede ihrer Kolleginnen habe einen Schulabschluss, manche studierten, und alle seien freiwillig da.
Derzeit arbeitet Magdalena in einem "Edelbordell" unweit Triers und fühlt sich dort offenbar ebenso zu Hause wie in ihrer knappen Arbeitskleidung. Während sie gemütlich auf einem Ledersessel sitzend mit dem Lackpumps schlackert und freimütig aus ihrem Leben erzählt, gibt der kurze schwarze Bademantel immer wieder den Blick auf kaum verhüllte Brüste frei, an denen Rubens seine helle Freude gehabt hätte. Eine Freude, die Männer sich 150 Euro die Stunde kosten lassen (ohne Extras).
Alles macht die 25-Jährige gelernte Sekretärin für Geld jedoch nicht. Auch wenn sie nach anderthalb Berufsjahren noch in der Phase sei, ausprobieren zu wollen. "Ich mag meinen Beruf, und ich will auf jeden Fall in der Branche bleiben", sagt sie. Sie könne sich ausleben, arbeite, wann sie wolle und mit wem sie wolle.
Von ihren Kolleginnen und dem Chef des Hauses spricht sie mit Zuneigung. Von ihren Stammkunden mit Respekt: Geschäftsleute, Bäcker, Banker, zwischen 30 und 50, oft verheiratet. Mit vielen könnte sie es sich auch "privat vorstellen". Doch Liebe gebe es im Club natürlich nicht. Persönliche Gespräche und Zärtlichkeit hingegen schon. Von einer Stunde, sagt sie, seien nur etwa zehn Minuten tatsächlich mit Sex gefüllt.
Für 20 oder 30 Euro mit einem Mann aufs Zimmer zu gehen, kann sie sich nicht vorstellen und glaubt auch nicht, dass andere Frauen so etwas freiwillig machen. Deshalb fürchtet sie, dass Billigprostitution unangenehme Begleiterscheinungen mit nach Trier bringen könnte. "Wir wollen nicht, dass unsere süße kleine Stadt asozial wird", sagt sie.
Für einen Mann, mit dem sie ihre Zukunft verbringen will, würde sie den Job aufgeben - und dann vielleicht als Empfangsdame arbeiten oder als Sekretärin. Weiterzumachen wäre aus Ihrer Sicht unfair.
Auch ein Kind würde das Ende ihrer Laufbahn bedeuten. Denn es habe nun mal leider einfach keinen guten Ruf, im Bordell zu arbeiten. kah

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