Blick in die Rotlichtszene in der Region: Geschäftsmodell Befriedigung

Trier/Bitburg/Wittlich · Die sexuellen Wünsche der Männer werden immer ausgefallener, das Angebot der Prostituierten wird immer breiter, die Preise werden immer kleiner. Denn die Konkurrenz ist groß. Dennoch scheint die Prostituierten-Welt in der ländlich geprägten Grenzregion Trier noch ganz in Ordnung zu sein. Noch. Ein Rotlicht-Report.

Trier/Bitburg/Wittlich. Was man en passant von der Prostitution mitbekommt, ist ihre gekachelte, rot leuchtende Fassade. Mulmige Gefühle prallen dort ebenso ab wie neugierige Blicke. Wer weiß schon, was hinter dieser Fassade geschieht? Wer weiß schon, wie das Leben der Frauen aussieht, die dort arbeiten? Ob sie das wirklich freiwillig tun? Ihren Beruf vielleicht sogar mögen? Woher sie kommen, wohin sie gehen oder wer ihre Freier sind?
Fragen gibt es viele. Klischees auch. Harte Fakten zur Prostitution in Deutschland hingegen fehlen - denn sie werden schlichtweg nicht erfasst. Prostitution ist völlig legal, ein Beruf wie jeder andere. So will es das Gesetz.
Sexarbeiter müssen sich weder bei der Stadt noch bei der Polizei anmelden und entgegen aller Klischees müssen sie auch nicht zu Zwangsuntersuchungen im Gesundheitsamt anrücken. Sie sind für ihre Gesundheit ebenso selbst verantwortlich wie für den Rest ihres Geschäfts.
Selbst die Sozialversicherungen erfassen Prostituierte nicht getrennt. Daher gibt es keine verlässlichen Zahlen.
400 000 Prostituierte


Die Bundesregierung schätzt, dass es etwa 400 000 Sexarbeiter gibt, von denen 95 Prozent Frauen sind. Weitere Schätzungen besagen, dass 1,2 Millionen Männer die Dienste in Anspruch nehmen und dabei für einen Jahresumsatz in Höhe von 15 Milliarden Euro sorgen.
Wie viele Prostituierte es in Rheinland-Pfalz gibt, ist unbekannt. Der einzige Weg, dies her auszufinden, ist die Auswertung dessen, was sich im Internet oder in Zeitungsannoncen findet. Die rheinland-pfälzische Prostituierten-Beratungsstelle Roxanne hat dies für die Stadt Koblenz getan und kam so auf die Zahl 120.
Der Blick auf das hiesige Angebot legt nahe, dass es in Trier und seiner nahen Umgebung nicht viel weniger Prostituierte geben dürfte als in Koblenz. Trier hat offiziell 13 bordellartige Betriebe, Trier-Land zwei, Bitburg acht, Prüm zwei und selbst in Wittlich, das länger bordelllos war, gibt es inzwischen wieder einen. Hinzu kommen nicht angemeldete Terminwohnungen, die von wechselnden Frauen gemietet werden, Studentinnen und Hausfrauen, die sich gelegentlich etwas dazuverdienen, hinzu kommen die Wohnmobile und seit einiger Zeit auch der Trierer Straßenstrich.
Fast alle freiberuflich


Obwohl sie dem Gesetz nach auch sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden könnten, arbeiten nach Auskunft Christine Bangerts von Roxanne fast alle Prostituierten freiberuflich. Sie sind also nicht bei den Etablissements angestellt, sondern mieten sich dort nur für eine gewisse Zeit ein - meist für ein oder zwei Wochen - und machen dies über Annoncen oder den aktuellen Wochenplan des Bordells bekannt. Danach sind sie erst einmal wieder weg. Entweder in einen anderen Club oder in eine andere Stadt. Oder nach Hause. Und dieses Zuhause liegt in den allermeisten Fällen recht weit entfernt, denn Bangerts Schätzung zufolge kommen 70 bis 80 Prozent der im Land tätigen Prostituierten aus Osteuropa. Mit dem, was sie hier in wenigen Wochen verdienen, können sie dort womöglich mehrere Monate lang leben, studieren oder ihre Familien versorgen.
Während sich die jungen Frauen aus finanziellen Gründen meist bewusst für den Beruf entscheiden, haben ihre Familien in der Heimat oft keine Ahnung, womit sie ihr Geld verdienen. Sie führen ein Doppelleben. Und das stellt für viele eine Belastung dar.
Da sich seit den Osterweiterungen der EU dennoch sehr viele Frauen für solch ein Leben entschieden haben, ist der Konkurrenzdruck unter den Prostituierten gewachsen - und die Preise sind gesunken. "Manche Frauen bieten Geschlechtsverkehr schon für 15 Euro an", sagt Bangert. Sehr viel mehr pro Freier dürften den Preisen zufolge auch die Prostituierten in dem geplanten Trierer Ableger eines Saarbrücker Flatratebordells nicht bekommen - bringt "3 x Spaß haben" den beteiligten "Girls" dort doch insgesamt nur 39,50 Euro. Die Betreiber wollen sich dazu nicht äußern.
"Die Servicelisten sind heute um ein Vielfaches länger als früher", sagt der Betreiber eines der hiesigen "Edel-Clubs".
Buntere Kundenwünsche



"Die Wünsche der Kunden werden immer bunter", sagt Bangert. Übersetzt: Frauen müssen inzwischen fast alles machen, um ihr Geld zu verdienen. Und so zählen zahlreiche Sexualpraktiken, von denen die Ehefrauen womöglich noch nie gehört haben und auf die sie womöglich auch niemals Lust verspüren würden, für Freier heute zum Standardangebot.
Mit den Umständen in der Region Trier scheinen Prostituierte trotz alledem recht zufrieden zu sein: Denn es gibt offenbar keine Zuhälter, keinen Menschenhandel, wenig Kriminalität und ordentliche Preise. Deshalb wollen sie auch die billige Konkurrenz nicht.
Viele der Männer, die die Prostituierten in der Region besuchen, kommen aus Luxemburg, Belgien und Frankreich, wo Bordelle verboten sind (siehe Extra).Zauberwort Diskretion


Ob es durch die geplante Verschärfung des französischen Prostitutionsgesetzes zu noch mehr "Sextourismus" kommt, ist unklar. Der Trierer Clubbetreiber glaubt, dass sich das nicht besonders stark auswirken wird. Zum einen, weil es im nahen Frankreich ohnehin nichts gebe, was schließen könne. Zum anderen, weil Freier, ob mit oder ohne Grenze dazwischen, aus einem Umkreis von 300 Kilometern anreisten. Um dem Nachbarn nicht zu begegnen. Um es geheim zu halten. Diskretion ist ein Zauberwort der Branche. Ist doch der Besuch bei einer Prostituierten trotz der völligen Legalisierung gesellschaftlich ebenso wenig geachtet wie der Beruf selbst.
Man spricht einfach nicht darüber. Und so bleibt das, was hinter all den rot leuchtenden Fassaden in der Region liegt, meist im Verborgenen.
Extra

In Deutschland ist Prostitution erlaubt und seit 2002 gesetzlich geregelt. Zuvor galt sie als sittenwidrig, war aber nicht verboten. Das Gesetz regelt, dass Prostituierte einen Anspruch auf Entgelt ihrer Leistung haben und ermöglicht den Abschluss von Arbeitsverträgen und den Zugang zur Sozialversicherung. Damit verfolgt Deutschland (wie die Niederlande) das Ziel, die Prostitution zu entkriminalisieren und die Situation der Frauen zu verbessern. Während eine EU-Studie besagt, dass der Menschenhandel in Deutschland seit der Liberalisierung zugenommen hat, scheint die Strategie für die Region Trier aufzugehen: Für 2011 meldet das Polizeipräsidium Trier trotz Kontrollen keine Straftaten wie Menschenhandel oder Zuhälterei im Zusammenhang mit dem Gewerbe. In Luxemburg wird Prostitution geduldet. Bordelle und Zuhälterei sind verboten. Schätzungen zufolge bieten im Ländchen 500 bis 1500 Frauen ihre Dienste an - viele davon auf dem Straßenstrich oder in Wohnungen im Luxemburger Bahnhofsviertel. Insider bezeichnen die Situation in einem Bericht des luxemburgischen Magazins Revue als extrem. Die Kriminalität scheint hoch zu sein: In den vergangenen vier Jahren wurden 35 Menschen wegen Zuhälterei verurteilt. In Frankreich unterliegt die Prostitution strengen Restriktionen: Bordelle sind verboten ebenso wie das öffentliche Anwerben von Freiern. Dennoch arbeiten geschätzt 20 000 Prostituierte in dem Land. Nun plant die Regierung ein Gesetz, das die Prostitution nach schwedischem Vorbild vollständig untersagt und ausschließlich Freier bestraft. kah

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort