Das Männertelefon - Über Rollenbilder reden

Mainz · Von Gewalterfahrung berichten Anrufer, die sich an das Mainzer Männertelefon wenden, nicht. Die meisten, die dort Hilfe suchen, haben ein Problem mit ihrer Rolle als Mann.

 Hiebe statt Liebe: Wenn Männer Opfer von Gewalt werden – das ist ein Tabuthema. Archiv-Foto: dpa

Hiebe statt Liebe: Wenn Männer Opfer von Gewalt werden – das ist ein Tabuthema. Archiv-Foto: dpa

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Mainz. Auch Männer werden Opfer von häuslicher Gewalt. "Aber nicht so häufig, wie Frauen. Zudem ist das Thema so mit Scham besetzt, dass Männer darüber nicht sprechen", sagt Jean van Koeverden, der in Mainz eines der wenigen Männertelefone des Landes betreut.

Die Männer, die sich an den Familien- und Sexualtherapeuten wenden, haben meist ein ganz anderes Problem: Sie hadern mit ihrem Rollenbild. Ihnen fehlt laut Koeverden eine Leitlinie. Ihnen fehlen Vorbilder.

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Ihre Großväter und Väter sind womöglich im Krieg gefallen. Die Erziehung werde seit Jahrzehnten Frauen überlassen: Männliche Erzieher und Grundschullehrer sind rar. Hinzu kommt: "Die emanzipierte Frau will eigentlich alles", sagt Koeverden: den starken Mann zum Anlehnen, der weiß, was er will. Und jemanden, der die Wäsche bügelt und ihre Sorgen und Interessen teilt.

"Die Männer gehen in den Anpassungsmodus. Sie lassen sich domestizieren, geben ihre Tasche der Kompetenz an der Garderobe ab und setzen sich wie ein Kind zu ihrer Frau an den Tisch", sagt Koeverden. Das Resultat sei oft, dass der Mann flüchte, indem er sein Heil in der Arbeit suche oder fremdgehe und sich mehr und mehr aus der Beziehung herausziehe. Irgendwann besorge die Frau dann sogar die Geschenke für seine Freunde und kaufe den Weihnachtsbaum alleine.Blöde Sprüche statt Mitgefühl


Einher gehe dieser Prozess oft mit einer "Verarmung" des Mannes: Um die Krisen des Alltags zu bewältigen - Familie, Gesundheit, Arbeit - gebe er Hobbys kurzfristig auf, gehe nicht mehr zum Stammtisch, zum Jagen oder ins Fotolabor. "Und er kommt auch nicht mehr zurück, wenn das Problem gelöst ist", sagt Koeverden.

Mit anderen Männern über solche Probleme zu sprechen, falle Männern oft schwer. "Sie gehen miteinander oft nicht respektvoll um", sagt Koeverden. Es fehle ihnen an Achtung anderen Männern gegenüber. Statt Verständnis und Mitgefühl erntet, wer sich öffnet, nicht selten blöde Sprüche.

Dabei sind gute Gespräche unter Männern den Erfahrungen des Therapeuten zufolge genau das, was helfen könnte. Er vermittelt Hilfesuchende denn auch an vier Mainzer Männerinitiativen, wo die Betroffenen in Gruppen über ihr Thema reden können. Dabei herrschen strenge Kommunikationsregeln: Jeder redet nur über sich und urteilt nicht über andere. Der Kneipenkumpelmodus ist dort tabu und was gesagt wird, ist vertraulich. Ein ähnliches Angebot hat bis zum Jahr 2012 auch in Trier existiert.

Die Schuld an den Problemen trage aber keineswegs nur die Frau. "Es liegt in der Entscheidung jedes Mannes, Lehrer oder Erzieher zu werden", sagt Koeverden - und Jungen so das ersehnte Vorbild zu liefern.

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