Flügellahmer Hahn verhagelt Rot-Gelb-Grün die Bilanz

Mainz/Maring-Noviand · Alles Hahn … oder was? Wenn es ein Thema in den ersten 100 Tagen der Landesregierung gab, dann den Flughafen. Das führt dazu, dass Ministerpräsidentin Malu Dreyer sogar eine Einladung zum Kaffee nicht schmeckt.

 Die ersten 100 Tage der rot-gelb-grünen Landesregierung in Mainz haben nicht ausgereicht, um die massiven Probleme des Flughafens Hahn zu lösen. TV-Foto: Klaus Kimmling

Die ersten 100 Tage der rot-gelb-grünen Landesregierung in Mainz haben nicht ausgereicht, um die massiven Probleme des Flughafens Hahn zu lösen. TV-Foto: Klaus Kimmling

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Rainer Weinand erlebte zuletzt aufregende Tage. Und das alles nur wegen eines Briefs, den der Mann aus Maring-Noviand (Kreis Bernkastel-Wittlich) im Juli an die Landesregierung verschickte. Er wollte das Gelände des Flughafens Hahn kaufen, um dort einen Energiepark zu errichten. Weinand bot fünf Euro und legte dem Schreiben gleich einen Geldschein bei. "Um meine Zahlungsfähigkeit nachzuweisen", schrieb er an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Doch die Staatskanzlei wollte das Geld nicht - und schickte den Schein zurück.

Weinand antwortete gleich mit dem nächsten Schreiben. In dem steht: "Der Brief ist so humorvoll verfasst, dass man den Eindruck bekommt, die Mitarbeiter der Staatskanzlei gingen zum Lachen in den Keller."

Humor ist tatsächlich ein sensibles Thema, wenn es um den Verkauf des Flughafens Hahn geht. Dreyer wirkte in dieser Woche gereizt, als sie auf den Bieter aus Maring-Noviand angesprochen wurde. Kein Wunder. Der geplatzte Verkauf des Hunsrück-Airports an den dubiosen chinesischen Investor SYT war für die Landesregierung ein kolossaler Fehlstart - und das bestimmende politische Thema. Bis heute. Gibt es Hintergrundgespräche mit Journalisten und spricht Dreyer über Flüchtlinge, dauert es nicht lange und irgendwann gehen ein, zwei Hände für Wortmeldungen nach oben. "Eine Frage zum Hahn, bitte", heißt es dann.

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Inzwischen geht die Landeschefin den Hahn offensiver an, nachdem sie lange im Hintergrund blieb und auf das zuständige Innenministerium verwies. In dieser Woche besuchte sie die Firma Haitec, die am Airport Flugzeuge wartet. Im Oktober öffnet sie eine neue Halle. 40 Millionen Euro hat Haitec investiert, die Arbeit steht und fällt mit dem Flughafen. Geschäftsführer Frank Rott sagt Dreyer, seit dem gescheiterten Verkauf an SYT bekomme er fast keine Bewerbungen mehr auf den Tisch. "10, 20 Stück waren es früher - pro Tag." Er findet, der Standort sei her-ausragend. "Erzählen Sie es weiter", sagt Dreyer und lacht.

18 Interessenten für den Hahn gibt es derzeit. Ob seriöse Bieter dabei sind, soll sich ab September zeigen. Mit dem chinesisch-pfälzischen Unternehmen ADC trifft sich die Staatskanzlei nach TV-Informationen am Freitag. ADC hat ein chinesisches Flugunternehmen an Bord. Intern zeigt sich die Firma über eine Dreyer-Aussage bei einem Bürgergespräch im Hunsrück besorgt, der Bieter mit dem höchsten Kaufpreis bekomme den Airport. Die ADC bietet einen Euro - plus den Kassenbestand. Sollte der Verkauf scheitern oder der Flugbetrieb gar nicht fortgeführt werden, wird es für die Landesregierung ganz ungemütlich. Ein Mitglied einer Regierungspartei erwartet dann Folgen. Wie ein Aus für Innenminister Roger Lewentz. Alles andere könne man der Öffentlichkeit dann nicht verkaufen. Auch Dreyer war schon angezählt. Im Juli überstand sie einen Misstrauensantrag der CDU. "Das war ein sehr hässlicher Moment in meinem Leben", sagte die Regierungschefin. Dazu droht noch ein Untersuchungsausschuss: Diesem müsste die Regierung offenlegen, warum SYT vertraut wurde. Obwohl mehrfach die Gesellschafter wechselten.

Rainer Weinand aus Maring-Noviand gibt die Hoffnung dagegen nicht auf, dass alles gut wird. Auch für ihn. Er wirbt in einem neuen Brief an die Ministerpräsidentin erneut für seine Idee, einen Energiepark am Hahn zu errichten. Gerne könne man das Ganze auch bei einer Tasse Kaffee besprechen. Er würde auch zahlen. "Die fünf Euro habe ich ja noch."Extra

Flügellahmer Hahn verhagelt Rot-Gelb-Grün die Bilanz
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Infrastruktur: Das Land treibt mit Nordrhein-Westfalen den Lückenschluss der Autobahn A 1 voran. Bei Wörth entsteht eine zweite Rheinbrücke. Das Land investiert mehr Geld, um Landesstraßen zu bauen und zu sanieren. Integration: Die Landesregierung hat die Arbeitsaufnahme von Asylbewerbern vereinfacht und die sogenannte Vorrangprüfung landesweit ausgesetzt. Für Flüchtlingskinder gab es Deutsch-Sprachkurse in den Sommerferien. Wohnungsbau: Im ersten Halbjahr wurden im Land öffentliche Mittel für den sozialen Wohnungsbau von 1512 Wohnungen beantragt. 4200 Wohnungen sollen in diesem Jahr mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gebaut werden. Digitalisierung: Das Digitalisierungskabinett will im September eine Digitalstrategie vorlegen. Diese soll sich vom Ausbau schneller Internetverbindungen bis hin zur Teilhabe an einer vernetzten Kultur erstrecken. Bildung: In der Schulpolitik kündigt die Landesregierung 270 neue Lehrerstellen und den Ausbau des Lehrer-Vertretungspools von 800 auf 1000 Lehrkräfte an. Sicherheit: Jährlich sollen im Land 500 Polizeianwärter neu eingestellt werden. Die Ausrüstung der Polizeistreifen wird mit 2,2 Millionen Euro aufgebessert. flor/dpa

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