Imageschaden - Trierer Parteienexperte Uwe Jun sieht Landesregierung in gefährlicher Lage

Er wertet den Hahn als Risiko für die Ampelkoalition, spricht von unauffälligen Grünen und Druck auf Julia Klöckner: Uwe Jun, Politikprofessor der Uni Trier, spricht mit TV-Redakteur Florian Schlecht über die ersten 100 Tage des neuen Parlaments.

Imageschaden - Trierer Parteienexperte Uwe Jun sieht Landesregierung in gefährlicher Lage
Foto: ARRAY(0x9c7c19d0)

Legt die Ampelkoalition einen Traumstart hin, wie Wirtschaftsminister Volker Wissing meint?
Uwe Jun (lacht): Das Wort vom "Traumstart" hat Herr Wissing inzwischen relativiert und gesagt, man müsse dabei den Flughafen Hahn ausklammern. Und das muss man tatsächlich, weil er die ersten 100 Tage der Landesregierung überschattet. Da ist ein Imageschaden entstanden, den es schnell zu reparieren gilt.

Wie bewerten Sie denn den Start der Ampelkoalition?
Jun: Viel ist noch nicht passiert, zentrale Aufgaben wie etwa die Einhaltung der Schuldenbremse kommen erst noch. Und der Verkauf des Hahn geht weiter. Er birgt für die Regierung immer noch Risiken.

Bringt der Hahn noch Innenminister Roger Lewentz zu Fall?
Jun: Das hängt davon ab, wie es mit dem Hahn weitergeht. Scheitert der Verkauf oder setzt ein neuer Käufer den Flugbetrieb nicht oder nur sehr eingeschränkt fort, wäre das fatal. Dann bleibt abzuwarten, wie Malu Dreyer die Angelegenheit angeht. Was wir nicht vergessen dürfen: Roger Lewentz ist zugleich Landeschef der SPD und gehört zu den starken Figuren in der Partei. Er wird mitentscheiden, welche Rolle er spielen will.

Gehen Sie davon aus, dass die FDP dauerhaft treu zur Ampel steht?
Jun: Die FDP will unter Beweis stellen, ein verlässlicher Regierungspartner zu sein und nicht beim ersten Sturm die Segel zu streichen. Das zeigt auch das klare Bekenntnis zu Malu Dreyer beim Misstrauensantrag im Parlament. Kurz- bis mittelfristig wird sie das rot-gelb-grüne Bündnis nicht infrage stellen. Sollten die Verwerfungen um den Hahn zunehmen, werden sich aber kritische Stimmen mehren, weil die Partei mit Blick auf ihre Glaubwürdigkeit sonst in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.

Und die Grünen?
Jun: Sie treten pragmatisch auf - und loyal gegenüber Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Bislang spielen sie die Rolle des kleinsten Koalitionspartners geräuschlos und unauffällig. Ob sich das auszahlt, bleibt abzuwarten. In der Verkehrspolitik mussten sie - wie mit dem A-1-Lückenschluss - schon Kröten schlucken, die ihnen nicht geschmeckt haben. Ob sie das frustriert, zeigen aber nicht die ersten 100 Tage, sondern erst die nächsten Jahre.

Erstmals sitzt die AfD im rheinland-pfälzischen Landtag. Hat die Partei schon was verändert?
Jun: Mit der AfD wird mehr polarisiert. Der Ton hat sich verschärft im Vergleich dazu, was wir sonst aus dem Landtag kannten. Das bringt der Partei öffentliche Aufmerksamkeit.

Die braucht aber auch die CDU als stärkste Oppositionspartei, oder?
Jun: Julia Klöckner steht unter Druck. Sie muss noch deutlicher hervorstechen, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu lenken, ohne den zum Teil polemischen Weg der AfD in dieser Form mitzugehen. Nach dem für sie enttäuschenden Wahlergebnis hat Klöckner zwar schnell wieder Tritt gefasst. Es bleibt aber spannend zu beobachten, wie sich die CDU in der Opposition von der AfD weiter abgrenzt.Extra

Uwe Jun, 1963 geboren, lehrt seit 2005 als Politikprofessor an der Universität Trier. Schwerpunkte des 53-jährigen Wissenschaftlers sind Parteienforschung, Föderalismus und politische Kommunikation. Foto: TV-Archiv

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