"Kirchen stehen ziemlich blamiert da"

Sollen sich die Kirchen in die aktuelle Politik einmischen und dabei womöglich auch einzelne Parteien kritisieren oder favorisieren? Darüber sprach TV-Redakteur Rolf Seydewitz mit dem Theologieprofessor und Dominikanerpater Wolfgang Ockenfels.

 Wolfgang Ockenfels (69) ist Priester, Dominikanerpater und emeritierter Theologieprofessor der Universität Trier. TV-Foto: A. Follmann

Wolfgang Ockenfels (69) ist Priester, Dominikanerpater und emeritierter Theologieprofessor der Universität Trier. TV-Foto: A. Follmann

Foto: (h_tl )

Sollen sich die Kirchen in die politische Diskussion einmischen, etwa in der Flüchtlingsfrage? Wolfgang Ockenfels: Das haben die Kirchen leider schon längst getan, vorschnell, bereits Ende 2015, als Frau Merkel die Grenzen unkontrolliert öffnete. Inzwischen bedauert sie ihre unüberlegte Entscheidung. Und auch die übrigen staatstragenden Parteien rudern zurück. Aus der Welcome-Euphorie ist mittlerweile die Bereitschaft erwachsen, unbefugte und gefährliche Einwanderer möglichst schnell abzuschieben. Jetzt stehen die Kirchen ziemlich blamiert da. Denn sie haben nicht den Mut, ihre Fehler einzugestehen.Warum sollten katholische Bischöfe keine Wahlempfehlung abgeben?Ockenfels: Weil sie dazu weder legitimiert noch hinreichend kompetent sind. Bischöfe und andere Amtsträger haben primär den überzeitlichen Glauben ihrer Kirche zu verkündigen und glaubhaft darzustellen. Wir erleben gegenwärtig einen rasanten Verlust an Glaubenssubstanz und eine Kirchenaustrittswelle, die teils auf die Verweltlichung und Politisierung unserer Glaubensrepräsentanten zurückzuführen ist. Aus der Erlösungsbotschaft ist ein moralisierendes und utopisches Programm geworden.Was halten Sie vom AfD-Bashing durch mehrere Bischöfe und Pas-töre (zuletzt Rekowski, häufiger schon Stephan Wahl)?Ockenfels: Nichts halte ich davon. Die parteipolitische Kritik einiger Prälaten an der AfD setzt doch mindestens voraus, dass man sich sachlich mit dem Programm dieser Partei auseinandersetzt. Dazu scheint es aber an politisch-ökonomischer Sachkompetenz zu fehlen. Stattdessen werden Betroffenheitsgefühle mobilisiert. Die rationalen Ordnungskriterien der Katholischen Soziallehre sind in Vergessenheit geraten. Und es fehlt die so oft beschworene Dialogbereitschaft.Was sagen Sie: Ist die Mitgliedschaft in der AfD vereinbar mit dem Christentum?Ockenfels: Das Gegenteil ist noch längst nicht bewiesen. Und wer sollte sich dieses Urteil anmaßen? Pateipolitisierte Prälaten etwa, die nur das finanzielle Selbsterhaltungsinteresse ihrer Institution im Auge haben? Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil liegt die Gewissensentscheidung in solchen Fragen unmissverständlich bei den Laien, die die eigentlichen Fachleute sind. Und sie sollten sich in diesen Fragen nicht einfach den kirchlichen Autoritäten unterwerfen, sondern sich ein eigenes Urteil bilden. Meiner persönlichen, nicht maßgebenden Meinung nach ist es - nach gründlicher Lektüre des AfD-Programms - nicht unchristlich, dieser Partei anzugehören oder sie zu wählen. sey

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