Die Großregion lebt – und wie!

Trier · Nicht nur die Pendler profitieren von offenen Grenzen. Doch was der europäische Geist in Saar-Lor-Lux bewirkt, bekommen viele Menschen gar nicht mit. Das soll sich jetzt ändern.

Fast alle 11,5 Millionen Einwohner der Großregion aus Luxemburg, Saarland, Lothringen, Rheinland-Pfalz und Wallonien profitieren von den Vorteilen grenzüberschreitenden Zusammenwachsens, rund 219.000 von ihnen pendeln gar jeden Tag zur Arbeit über die Grenze. Doch angekommen ist die Großregion als Träger gemeinsamer Werte und als Vorbild für die europäische Integration bei den wenigsten.

Das soll sich nun ändern. "Die Großregion ist ein Vorzeigeprojekt, aber in der Öffentlichkeit wird sie als nicht mehr wichtig und präsent wahrgenommen", bedauert Wolfgang Lorig, Politikwissenschaftler an der Universität Trier und Mitbegründer einer neuen Initiative. Deren Ziel: "Was wollen wir mit der Großregion? Soll sie eine politische Einheit sein? Wie kann sie für den einzelnen erlebbar werden?"

Die Großregion - So nah und doch so fern

Mit seiner Idee ist Lorig nicht allein, sondern neben der Trierer Universität haben sich die übrigen Universitäten der Großregion, das Bürgerforum SaarLorLux und die Deutsch-Luxemburgische Wirtschaftsinitiative (DLWI) in Kooperation mit den Trierer Wirtschaftskammern, der interkommunalen Euregio SaarLorLux und dem Landkreis Trier-Saarburg auf die Fahnen geschrieben, die Debatte über die Zukunft der Großregion neu anzustoßen. "Wir müssen das Projekt wieder in Erinnerung rufen", sagt DLWI-Präsident Ralf Britten. Politische Entscheidungen würden oft von oben nach unten getroffen, "aber leider ohne Bürgerbeteiligung". Gerade Kindergärten und Schulen seien geeignet, die Ideale der europäischen Integration zu vermitteln. "Es gibt viele Foren, aber ohne Breitenwirkung. Die Großregion muss wieder zum Leben erweckt werden", sagt Britten. Und Lorig ergänzt: "Die ökonomischen Errungenschaften wie Wirtschaftswachstum und niedrige Arbeitslosigkeit sind erkennbar und zu selbstverständlich. Das Projekt Großregion ist (noch) keine Herzensangelegenheit."

Mit ihrem Vorhaben liegen die Initiatoren ganz auf der Welle der aktuellen Luxemburger Präsidentschaft in der Großregion. Corinne Cahen, Luxemburger Ministerin für die Großregion, gibt dabei für die kommenden zwei Jahre die Devise aus, Grenzen "ein für alle Mal" zu überwinden: "Die Großregion ist wichtiger denn je. Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, den Alltag der Bürger zu erleichtern."

Konkret soll dabei die Zusammenarbeit in Erziehung, Bildung, Arbeit, Wirtschaft, Verkehr, Gesundheit, Umwelt und Kultur besser werden, damit die Großregion "attraktiver, wettbewerbsfähiger, offener und einladender" wird. Wasser auf die Mühlen von Vorkämpfern der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit: Erst jüngst hatten sich Altpolitiker Franz-Peter Basten (CDU), ehemaliger luxemburgischer Honorarkonsul, und der einstige Landtagspräsident Christoph Grimm (SPD) für mehr Unterstützung der Großregion ausgesprochen und neue Formen der Zusammenarbeit gefordert.

Was sich gut anhört, ist allerdings nicht neu: Schon 2003 hatte der einstige luxemburgische EU-Kommissionspräsident Jacques Santer bei den Bitburger Gesprächen die "Wiederentdeckung der Region" beschworen. "Die Großregion ist das Kerngebiet europäischer Zivilisation", sagte er damals - begeistert von der historisch gelebten Zusammenarbeit zwischen Maas, Saar und Mosel.
Am Donnerstag will er der neuen Initiative bei einem Symposium erneut Impulse mit auf den Weg geben.Meinung

Die Großregion ist tot, es lebe die Großregion!

Wissen Sie noch, was Ma-Mo-Sa ist? Nein? Macht nichts, die Politiker auch nicht. Dabei hatten diese doch vor genau 15 Jahren diesen scheinbar genialen Einfall. Denn so sollte einmal die Großregion heißen, nachdem das Namensmonstrum Saar-Lor-Lux/Rheinland-Pfalz/Wallonie für niemanden mehr auszusprechen war, aber alle an der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit teilhaben wollten. Ein Namenswettbewerb war sogar damals ausgerufen worden, um die Bevölkerung mit einzubeziehen und die Großregion erlebbar zu machen.
Am Ende ging alles den Bach runter, weil sich die einzelnen Teilregionen nicht genug bei der Namensgebung gebauchpinselt fühlten, und das Konstrukt machte seinem Namen als Debattierklub alle Ehre. Seitdem dümpelt die Großregion wie ein schwerer Meeresdampfer über den Ozean. Sie kommt voran, aber langsam und ohne Dynamik, sie trotzt dem ein oder anderen Sturm, aber ohne große Orientierung. Auf der Brücke herrscht Entscheidungsschwäche oder geordnete Nichtzuständigkeit, die Besatzung agiert meist ohne klare Ansage ihrer Vorgesetzten.
Die Bewohner der Großregion haben folglich in den vergangenen Jahren genau das gemacht, was sie auch in den vorangegangenen Jahren und Jahrzehnten mit politisch unterschiedlichsten Motivationen getan haben. Sie haben die Politik Politik sein lassen, sich vielfach mit dem Vorhandenen arrangiert und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausgeschöpft - allerdings ohne Leidenschaft für die Sache.
Wenn sich nun eine neue Initiative zur Wiederbelebung der Großregion auf den Weg macht, so ist dies mehr als löblich. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit erfahrbar zu machen und das Gemeinsame an Werten herauszuarbeiten, ist letztlich der Kern des europäischen Integrationsgedankens. Der Erfolg einer solchen Initiative wird sich aber wiederum daran messen lassen müssen, wie stark die Bürger von klein auf die Großregion erleben und begreifen. Es wäre schade, wenn erneut mehr Verdruss als Euphorie übrig bliebe..
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s.schwadorf@volksfreund.de

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