Die Großregion - So nah und doch so fern

Trier · Seit mehr als 20 Jahren gibt es die Idee der Großregion und vertiefter grenzüberschreitender Zusammenarbeit. Angesichts von Stillstand bei der Integration soll das Projekt in der Politik und bei den Bürgern neu belebt werden.

Vor genau 15 Jahren war die Begeisterung für die Großregion noch groß: Nicht nur, dass die größer gewordene Saar-Lor-Lux/Rheinland-Pfalz/Wallonie-Region sich um politisches Zusammenwachsen bemühte und Hemmnisse im Arbeitsleben, in der Gesundheitsversorgung und bei der Bildung abzubauen versuchte.

Auch die Bürger wurden zum Teil der Idee. Wochenlang rührten mehr als 20 Radiosender und Tageszeitungen in den Teilregionen die Werbetrommel für die Großregion. Unter der saarländischen Präsidentschaft sollte ein einfacherer Name für das geografisch-politisch-wirtschaftliche Gebilde gefunden werden. Der Wettbewerb "Ein Name für die Großregion" sollte Identität stiften. Mehr als 3000 Bürger machten mit, knapp 750 Vorschläge kamen allein aus dem Verbreitungsgebiet des Trierischen Volksfreunds.
Ergebnis: Die Idee verlief im Sande, selbst die obersten Politiker konnten sich nicht auf eine Bezeichnung wie "Ma-Mo-Sa" für "Maas-Mosel-Saar" einigen.

Die Großregion lebt – und wie!

Und heute? "Die Großregion wird viel zu pragmatisch gesehen", kritisiert der Trierer Politikwissenschaftler Wolfgang Lorig. Das Thema sei für die Politik im Alltag kaum relevant und und für die Bevölkerung kaum präsent. Angesichts der Krise auch in der Europäischen Union um politische Alternativen zur EU "müssen Politiker, Unternehmer und Gesellschaft einen Diskurs darüber führen, welche Art der Großregion wir wollen", wünscht er sich und stößt damit eine Diskussion an, die von diesem Donnerstag an auch auf breiter Ebene stattfinden soll: Die Universitäten der Großregion sowie Trier, das Bürgerforum SaarLor-Lux und die Deutsch-Luxemburgische Wirtschaftsinitiative (DLWI) wollen gemeinsam mit den Trierer Wirtschaftskammern, der Euregio SaarLorLux und dem Landkreis Trier-Saarburg den Gedanken an die Errungenschaften der EU und der Großregion wieder ins Gedächtnis rufen. "Das Studieren über Grenzen hinweg, das Arbeiten im Ausland und die Gesundheitsversorgung im Nachbarland sind selbstverständlich geworden", stellt Ralf Britten, DLWI-Präsident, fest. Dabei seien dies die Dinge, die die Politik erreicht habe. Allerdings lebe auch das Große vom Kleinen. "Politische Entscheidungen werden oft von oben nach unten getroffen, ohne die Bürger daran zu beteiligen. Das schafft Frust", sagt er.

Gerade das Erreichte möchte die Initiative wieder bewusstmachen und "der Integration neuen Schub geben", wie es Christoph Wirtz vom Bürgerforum SaarLorLux formuliert. Ein Element: Das 2015 in Esch-sur-Alzette mit großem Fest und Aufwand eingerichtete Haus der Großregion mit acht dort grenzüberschreitend arbeitenden Gremien. "Das Haus der Großregion ist kein zentraler Anlaufpunkt für die Bürger und tritt zu wenig offensiv in Erscheinung", sagt Wirtz und wünscht sich mehr Koordination und Kommunikation nach außen.

Ein anderer Schlüssel zum Gelingen: "Der Erfolg des Projektes Großregion hängt vom persönlichen Erleben jedes Einzelnen ab - etwa von grenzüberschreitenden Freundschaftsprojekten vom Kindergarten bis hin zu beruflichen Projekten", sagt Politikwissenschaftler Lorig. Es müsse zur Herzensangelegenheit der Bürger werden. Er ist überzeugt davon, dass Projekte wie die deutsch-niederländische Euregio Maas-Rhein rund um Aachen und Maastricht und die Großregion Saar-Lor-Lux unter dem Dach einer schwächeren EU immer wichtiger werden. "Was am Ende bei dieser Diskussion um die Großregion herauskommt, ist heute noch nicht zu sagen", ergänzt Britten. Das Gebilde, das so effizient ist wie der gute Wille der politisch Verantwortlichen, könne jedenfalls keinen reinen Selbstzweck haben.

Das Symposium "Wohin steuert die Großregion Saar-Lor-Lux? - Luxemburg und die Großregion 2017" ist am Donnerstag, 9. März, um 18 Uhr im Hotel Nells Park in Trier. Redner ist unter anderem der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jacques Santer.

Historischer Handel ohne Grenzen

600 Aufsätze auf vier Regalmetern: Die Großregion ist historisch gesehen bestens erforscht, haben doch Trierer Historiker, Geografen, Germanisten und Romanisten mehr als 15 Jahre lang bis ins Jahr 2002 dokumentiert, was sich "Zwischen Rhein und Maas" - so der Name des damaligen Sonderforschungsbereichs an der Uni Trier - in 1000 Jahren ereignet hat. Dabei kam heraus, dass die europäische Integration, die heute in der Krise steckt, bis zum 16. Jahrhundert in der Großregion längst gelebt wurde. Das, was Politiker derzeit wieder fordern, nämlich Grenzkontrollen und PKW-Maut, hat viele Jahrhunderte niemanden interessiert. Im Gegenteil: Es gab bereits ein einheitliches europäisches Währungssystem und Handelsmünzen. Lothringen als Zentrum der Papierherstellung und Luxemburg auf der Achse wichtiger Messestädte sowie Metz und Trier als Orte religiöser Bedeutung bildeten über Jahrhunderte eine "Innovationszentrale", wie es der Leiter des Sonderforschungsbereichs, Professor Franz Irsigler formuliert hat. Heute müht sich das Städtenetz Quattropole um gemeinsame Aktivitäten. Erst mit Napoleon und danach wurde die Großregion auseinandergetrennt, zum Zankapfel in zwei Weltkriegen und von Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaftsförderung abgeschnitten.

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