Work-Life-Balance: Mehr Freizeit statt mehr Geld

Trier · Viele Beschäftige sind unzufrieden. Sie wollen mehr von ihrem Privatleben haben. Die Gewerkschaften fordern daher flexiblere Arbeitsmodelle. Die Unternehmen sind skeptisch.

Umfragen zufolge sind viele Arbeitnehmer unzufrieden mit dem Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben. Nur jeder dritte Berufstätige findet die sogenannte Work-Life-Balance, also die Ausgewogenheit zwischen Job und Freizeit, in Ordnung. Der Wunsch: mehr Urlaub statt mehr Geld. Gewerkschaften reagieren auf diese Entwicklung. Die Industriegewerkschaft (IG) Metall fordert diesmal nicht nur sechs Prozent mehr Gehalt, sondern will für viele Beschäftigte mehr freie Zeit. Über einen Zeitraum von zwei Jahren sollen Arbeitnehmer ihre Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden reduzieren können, damit sie sich um ihre Kinder oder um zu pflegende Angehörige kümmern können. Kürzlich hat sich auch jeder zweite Bahnmitarbeiter in einer Befragung der Gewerkschaften für mehr Urlaubstage statt für mehr Geld entschieden.

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Den Landeschef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Dietmar Muscheid, wundert das nicht: "Die zunehmende Belastung am Arbeitsplatz, insbesondere für Schichtarbeiter, führt bei immer mehr Beschäftigten zu dem Wunsch, die Arbeitszeit wenigstens befristet verkürzen zu können."
Zudem, so der Gewerkschafter gegenüber unserer Zeitung, biete eine verkürzte Arbeitszeit eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Freizeit habe eine neue Qualität bekommen, sagt der renommierte Freizeitforscher Horst Opaschowski im Gespräch mit dem TV. Vielen Menschen gehe es mehr "um Lebensqualitätssteigerung als um Lebensstandardsicherung. Jenseits von Geld und Gütern stellt die frei verfügbare Zeit einen Lebenswert dar."

Das zeigt auch eine Studie zur Jugend auf dem Land des Trierer Soziologen Waldemar Vogelgesang. Für die sogenannte Generation Y, also die heute 20- bis 40-Jährigen, seien Lebensqualität und die Work-Life-Balance wichtiger als das Gehalt, sagt Vogelgesang. Vor allem Jugendliche mit einem höheren Bildungsabschluss legten einen deutlich höheren Wert auf Entspannung, oder wie es in der Jugendsprache heißt: chillen (abhängen). Laut Studie um Zeit zu haben zum "Lesen oder Musikhören, mit dem Auto oder Motorrad über das platte Land zu fahren oder sich mit Freunden zu treffen".

Der Trierer DGB-Vorsitzende James Marsh geht davon aus, dass das Thema flexiblere Arbeitszeiten und mehr Freizeit bei künftigen Tarifverhandlungen eine größere Rolle spielen wird. Vor allem bei Paaren, bei denen beide voll berufstätig sind. Es werde für sie immer schwieriger, Beruf, Freizeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Das sei eine zusätzliche Belastung, vor allem wenn noch Angehörige gepflegt werden müssten. Nicht selten spiele sich in vielen Familien hauptsächlich an den Wochenenden fast das gesamte Familienleben ab, sagt Marsh.

Die Arbeitgeber sehen die Gewerkschaftsforderungen skeptisch Das Thema Arbeitszeit sei sehr kritisch, sagt Siegbert Pinger, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes vem in Koblenz. Bereits jetzt könnten auch in der Metallbranche viele Stellen wegen des Fachkräftemangels nicht besetzt werden. Das werde sich durch verkürzte Arbeitszeiten noch verschärfen. Gerade in Metall- und Elektroberufen, in denen produziert werde, könne die Arbeitszeit nicht einfach reduziert werden.

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