Was die Kommunalpolitik zerreibt

Trier · Immer mehr Aufgaben - immer weniger Gestaltungsspielraum: Der Druck auf den unteren Ebenen der kommunalen Selbstverwaltung scheint immer größer zu werden. Im Rahmen einer Symposiums wurde die Situation analysiert.

 Podiumsdiskussion beim Bürgersymposium zu „Brennpunkten in der Kommunalpolitik“ mit (von links) Marcus Hoffeld, Günther Schartz, Sabine Schwadorf, Winfried Manns und Barbara Beckmann-Roh. TV-Foto: Frank Göbel

Podiumsdiskussion beim Bürgersymposium zu „Brennpunkten in der Kommunalpolitik“ mit (von links) Marcus Hoffeld, Günther Schartz, Sabine Schwadorf, Winfried Manns und Barbara Beckmann-Roh. TV-Foto: Frank Göbel

Foto: Frank Goebel (fgg) ("TV-Upload Goebel"

Trier Die Lebenswelten zwischen Stadt und Land, aber auch innerhalb der Kommunen driften immer weiter auseinander. Umso alarmierender ist es da, dass es um die Bereitschaft zu kommunalpolitischem Engagement immer schlechter bestellt ist. Diese Erkenntnisse des Politologen Wolfgang Lorig und des Soziologen Waldemar Vogelgesang sind beim ersten Bürgersymposium "Brennpunkte der Kommunalpolitik" in der Kreisverwaltung Trier-Saarburg vorgestellt worden, das den Auftakt zu einer Reihe von Vorträgen und Diskussionen gebildet hat.

Der Ökonom Martin Junkernheinrich stellte zunehmende finanzielle Verwerfungen zwischen Kommunen und höheren Verwaltungsebenen wie Kreisen, Ländern und Bund fest. In einer Podiumsdiskussion tauschten sich zum Abschluss vier Kommunalpolitiker aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland darüber aus, wie diese Ungleichheiten entstehen - und wie ihnen begegnet werden könnte.

Barbara Beckmann-Roh, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des saarländischen Städte- und Gemeindetags, kritisierte die hohe Zahl an Aufgaben, die der Bund auf die Kommunen übertrage. Als Beispiel nannte sie einen Anspruch auf Kinderbetreuung. Da helfe es nicht weiter, wenn immer neue Förderprogramme aufgelegt würden - diese bringen Beckmann-Roh zufolge "einen erheblichen Verwaltungsaufwand und sprengen die langfristige Planung der Kommunen". Wünschenswert wäre dagegen eine "kontinuierliche Finanzaustattung, mit der die Kommunen planen können".
Davon könne aber noch weniger die Rede sein, weil die Kommunen einen ständigen Berg von Altschulden vor sich herschöben. Noch verschärft werde die Situation durch einen dauernden Transfer von kommunalem Geld in den Landeshaushalt, um die Handlungsfähigkeit des "Haushalts-Notlagelands" zu erhalten. Den 52 Kommunen seien so über 600 Millionen Euro entgangen.

Dass die Kommunen als Geldkühe übermäßig gemolken werden, sieht auch Marcus Hoffeld so. Der Bürgermeister von Merzig rechnet vor, dass dieses Jahr von 33 Millionen Einnahmen 19 Millionen Euro als Kreisumlage abgeführt werden mussten. Für Winfried Manns wäre das noch eine erträgliche Summe. Das geschäftsführende Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz erinnert daran, dass die Umlagequote aber in der Regel bei 90 Prozent liege. Die Eifeler Ortsgemeinde Malbergweich habe sogar Kredite aufnehmen müssen, um eine Umlagequote von 105 Prozent bedienen zu können.

Generell fördere das Land geradezu die Wohnungsnot und Verkehrsprobleme in Ballungsgebieten, weil die Förderung des ländlichen Raums fehle - obwohl man "auf dem Land viel besser lebt als in der Stadt".

Als langjähriger Landrat des Kreises Trier-Saarburg und nun Vorsitzender des Landkreistags Rheinland-Pfalz kann Günther Schartz den Frust nachvollziehen: "Die Gemeinderäte sind praktisch nur noch Vollzugsorgane des Staates", gibt er zu - verweist aber auf den Druck, den die Kommunalaufsicht auf den Kreis ausübe. Beispielhaft nennt er die kostenlosen Kindergartenplätze, die einen Aufgabentransfer bedeuten würden, dem keine adäquater Finanzierung gegenüberstehe.

Die Frage der Moderatorin Sabine Schwadorf vom Trierischen Volksfreund, ob eine Zusammenlegung der Gemeinden höhere Effizienz bringen könnte, wird einhellig verneint: "Die Schulden und Ausgaben sind ja immer noch da", glaubt der Merziger Bürgermeister Hoffeld.

Günther Schartz zufolge sind die Ortsgemeinden ohnehin keine nennenswerten Kostenfaktoren. Deren "Zentralisierung" würde aber dem ohnehin gefährdeten Engagement nur weiter schaden: "Die Leute vor Ort würden sich dann noch weiter zurückziehen." Gerade das wollten aber gleich mehrere Zuschauer verhindert sehen, die sich entsprechend zu Wort meldeten: Sonja Angelico engagiert sich aktuell im Mehringer Gemeinderat und sorgt sich, wie die Leute weiter zu Engagement motiviert werden können.

Günther Schartz regte an, ob etwa das Prinzip der Urwahl des Gemeindevorstehers bei den kleinen Gemeinden nicht infFrage gestellt werden könne, um das Verfahren zu vereinfachen und einen "Spießrutenlauf" zu verhindern. Winfried Manns hatte sich schon vorher dafür ausgesprochen, dem kommunalpolitischen Engagement mehr Wertschätzung entgegenzubringen durch Thematisierung in Schule und Erziehung. Das würde auch Silvia Pfeiffer begrüßen: Die Thalfangerin hatte sich in einer Bürgerinitiative (BI) für den Beitritt ihrer Gemeinde zu einer Verbandsgemeinde mit Morbach eingesetzt - allerdings unter Beibehaltung der Selbstständigkeit Thalfangs. In der Folge sah sie die BI aber "bekämpft" und von wichtigen Diskussionen ausgeschlossen.

In Vorträgen und Diskussionen werden ab 15. November, Herausforderungen, Defizite und Lösungsansätze der Kommunalpolitik in den Fokus gerückt.

Wissenschaftler und Kommunalpolitiker aus Rheinland- Pfalz, dem Saarland und aus Luxemburg werden jeweils mittwochs von 16 bis 18 Uhr unterschiedliche "Brennpunkte der Kommunalpolitik" präsentieren, und mit den Teilnehmern diskutieren. Anmeldungen online bis zum 1. November unter www.weiterbildung.uni-trier.de

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