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Das neue Schuljahr geht zum Alltag über, die ersten Klassenarbeiten sind geschrieben, und leider sind bei einigen auch schon die ersten Tränen geflossen, ersten Wutanfälle ausgehalten. Überdies: Ist Ihr Kind dieses Jahr von der Grundschule in die weiterführende Schule gewechselt? Und erleben Sie diese Wochen als genauso spannend wie stressig? In der Grundschule lief es, nun gab es die erste 4 in Englisch, auch in Mathe erzielte Ihr Kind ein ungewohnt schlechtes Ergebnis.

 Kerstin Sperber.Foto: privat

Kerstin Sperber.Foto: privat

Foto: PHOTOGRAPH YAPH (g_mehrw

Kopfschütteln, Zweifel, Sorgen stellen sich ein - war das die richtige Entscheidung? Hier könnte ein Phänomen greifen, das in der Fachliteratur als Big-Fish-Little-Pond-Effekt bezeichnet wird. Es tritt auf, wenn ein Kind die Vergleichsgruppe wechselt hin zu einem höheren Niveau. Beispiel Linda: Ihre Grundschulzeit war recht behütet, klappte relativ problemlos, Linda war gewöhnt, ein großer Fisch im kleinen Teich zu sein. Nun wechselt sie in die fünfte Klasse und findet sich plötzlich neben vielen größeren Fischen in einem größeren Teich wieder. Dies irritiert sie. Und dann erhält sie auch noch die ersten schlechteren Leistungs-Rückmeldungen: Linda knallt die Türen und weint, ihre Mutter sorgt sich. Aber: Die Orientierungsstufe trägt ihren Namen zu Recht. Es gilt, ruhig zu bleiben, den Kindern Zeit zum Eingewöhnen zu geben. Wichtig ist auch, nicht nur auf die Leistungsergebnisse, sondern auf den Weg dahin zu schauen - das heißt überfachliche Kompetenzen wie Motivation, Arbeitshaltung oder schulisches Selbstkonzept in den Blick zu nehmen: Wenn Linda nicht glaubt, eine Aufgabe schaffen zu können, wird sie nicht bereitwillig Vokabeln lernen, trotz hilfreicher Techniken. Wenn Linda Angst hat, andere könnten ihre Schwächen erkennen oder vielleicht ihre Eltern zu enttäuschen, wird sie eher versuchen, dieses Unangenehme zu vermeiden statt sich auf die Mathearbeit vorzubereiten. Das Schuljahr schreitet voran, der Stoff ebenfalls, und schnell ist Linda mitten in einem Teufelskreis, der nicht sein muss. Hier hilft Geduld. Geben Sie Ihrem Kind Zeit, seinen Platz in der neuen Klasse zu finden. Vergleichen Sie Noten nicht zu oft mit denen anderer Kinder, seien Sie auch nicht ungehalten oder enttäuscht bei ungewohnt schlechten Ergebnissen, sondern beachten Sie Lernhaltung und Lernwege - wo steht Ihr Kind hier, und wie können Sie es mit Unterstützung der Lehrpersonen passend begleiten? Überfachliche Kompetenzen lassen sich gut trainieren. Nutzen Sie dazu auch die kommenden Elternsprechtage und halten Sie Kontakt mit den Lehrpersonen. Und vertrauen Sie darauf: Kinder wachsen an ihren Aufgaben. Dr. Kerstin Sperber ist Diplom-Psychologin und Leiterin des KAP - Kompetenzzentrums für angewandte pädagogische Psychologie in Trier. kap-info.de

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